Nachdem es bereits im März zu erheblichen Schwankungen im US-amerikanischen und europäischen Bankensektor gekommen ist, könnte der Einbruch an den Gewerbeimmobilienmärkten das Vertrauen in den Bankensektor erneut erschüttern. Im Gegensatz zu den Real Estate Investment Trusts (REITs) aus den USA sind die europäischen Immobilienfirmen bei der Refinanzierung stärker auf Bankfinanzierungen angewiesen und haben daher weitaus stärker mit strukturellen Veränderungen infolge des zinsbedingten Abwertungsdrucks zu kämpfen.
Ist der längste Immobilienzyklus zu Ende?
Befeuert vom stetigen Zinsrückgang kannten die Preise, insbesondere von Wohnimmobilien in Europa, über viele Jahre nur eine Richtung: aufwärts. In vielen Ländern haben sich die Preise je nach Lage mehr als verdoppelt. Zweistellige Preisanstiege schienen der neue Normalzustand zu sein.
Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Immobilienpreise auch sinken können und eben keine Einbahnstraße sind. Angesichts der weiterhin hohen strukturellen Nachfrage nach Wohnimmobilien dürfte sich der Preisrückgang in Grenzen halten. Anders sieht es dagegen bei Gewerbeimmobilien aus, die sehr konjunktursensitiv sind.
Die dramatischen Zinsbewegungen seit Mitte 2022 haben tiefe Spuren an den europäischen Wohn- und Gewerbeimmobilienmärkten hinterlassen. Allein der europäische Büromarkt verbuchte Wertverluste von durchschnittlich 12 Prozent. Bis Ende dieses Jahres könnten die Kapitalwerte in Richtung ihrer Niveaus von 2018 nachgegeben haben, heißt es in einer Studie von Deka Investments. Laut dem Immobilienberater Colliers dämpfen die anhaltend hohen Finanzierungskosten das Investmentgeschehen – und zwar nicht nur bei Ankäufen. Für die Jahre 2023 bis 2030 rechnet der Makler mit einer Fremdfinanzierungslücke von 28 Mrd. Euro, das entspreche rund 14 Prozent des Transaktionsvolumens von 2018 bis 2021. Dieses Kapital wird in den nächsten Jahren für Ankäufe nicht zur Verfügung stehen, betont Colliers.
Konjunktur bereits am Tiefpunkt?
Da die Konjunktur in den EWU-Ländern sich bereits seit Monaten in einer ausgeprägten Schwächephase befindet und aktuell vieles darauf hindeutet, dass sich der Abwärtstrend in den nächsten Monaten weiter beschleunigt, könnten sich die Preisrückgänge an den Gewerbeimmobilienmärkten ausweiten. In einem Kommentar der Deka zum erneut rückläufigen ifo-Geschäftsklimaindex heißt es, „dass der belastende Doppelcharakter der Inflation – erst Kaufkraft entzug, dann die Zinspeitsche – sowie immer deutlicher werdende strukturelle Schwächen Deutschlands die deutsche Konjunktur straucheln lassen“. Auch die Tatsache, dass das Geschäftsklima im Baugewerbe mit -24,0 im Juli auf den niedrigsten Stand seit Februar 2010 gefallen ist, ist ein weiterer Beleg für die negative Stimmung auf dem deutschen Immobilienmarkt.
Wie stark die Preise fallen können, zeigen die Entwicklungen im Vereinigten Königreich, wo die Preise für gewerbliche Immobilien (Commercial Real Estate, CRE) seit ihrem Höchststand Mitte 2022 bisher um etwa 20 Prozent gesunken sind – ein stärkerer Rückgang als in den USA oder der Eurozone. Auch in Deutschland sind die Preise rückläufig, und die Aktivitäten sind deutlich eingebrochen. Bereits zum Halbjahr 2023 beobachteten die Makler für Deutschland extreme Umsatzrückgänge auf rund 10 Mrd. Euro, was etwa zwei Drittel unter dem Vorjahresergebnis liegt.
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Autor:
Karl-Heinz Goedeckemeyer, Independent Analyst und freier Autor in Frankfurt am Main.