Um die Nachhaltigkeitsziele in der Union zu verwirklichen, müssen die Kapitalflüsse hin zu nachhaltigen Investitionen gelenkt werden. Dieser marktwirtschaftliche Ansatz ist eine der tragenden Säulen der Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union (EU) und stammt aus den Vorbemerkungen zur Verordnung EU 2020/852 vom 18. Juni 2020 (EU-Taxonomie). Dieses Rahmenwerk bildet die Basis eines umfangreichen und zeitintensiven Legislativprozesses, an dessen Ende die Antwort auf die Frage stehen soll „Was ist ökologisch nachhaltig?“.
Insbesondere von professionellen Investoren wird diese Entwicklung mit großem Interesse begleitet. An sie werden von Kunden, Öffentlichkeit und Aufsicht immer höhere Nachhaltigkeitsanforderungen in den Bereichen Berichterstattung, Investitionswirkung und Risikomanagement gestellt. Dabei mangelt es übergreifend an begrifflicher Einheitlichkeit. Trotz und aufgrund der Vielzahl an inter-nationalen Definitionswerken und Offenlegungsvorschriften bleibt Nachhaltigkeit ein Abstraktum, das nach Belieben und Geschäftsinteresse ausgelegt werden kann. Dieser Zustand erschwert sowohl die effektive Nachhaltigkeitssteuerung im Portfolio als auch die Identifikation sogenannten „Greenwashings“.
Die EU-Taxonomie setzt an dieser Problematik an, indem sie Unternehmen zur Bestimmung des Anteils ihrer nachhaltigen Tätigkeiten und deren Offenlegung in Taxonomie-Konformitätsquoten (TKQ) verpflichtet. An sie wird der Anspruch gestellt, ökologische Nachhaltigkeit in allen Sektoren messbar zu machen, die Offenlegung zu fördern und Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Diese Informationen sollen zum Nachhaltigkeitskompass der Investoren werden und die Kapitalallokation im Sinne des europäischen „Green Deal“ fördern. Im Folgenden wird evaluiert, ob die Taxonomie-Berichterstattung diese Funktion als Allokationsbasis bereits im Jahr 2023 erfüllen kann, welchen Mehrwert sie Investoren bietet und wo ihre Defizite und Entwicklungspotenziale liegen.
Systematik, Genese und Status quo der EU-Taxonomie
Im Kern wird mit der EU-Taxonomie ein wissenschaftsbasiertes Klassifikationssystems zur Bewertung der ökologischen Nachhaltigkeit einer Wirtschaftstätigkeit geschaffen. Dieses legt für Nachhaltigkeit, also „Taxonomie-Konformität“, drei materielle, durch die Wirtschaftstätigkeit zu erfüllende Kriterien fest:
1. Die Tätigkeit leistet einen wesentlichen Beitrag zu einem von sechs definierten Umweltzielen (Substantial Contribution; SC-Kriterium).
2. Sie führt nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen der anderen Umweltziele („Do No Significant Harm“; DNSH-Kriterium).
3. Sie wird unter Einhaltung des sogenannten (sozialen) Mindestschutzes ausgeübt, also unter Einhaltung grundlegender Menschenrechts-, Korruptions-, Wettbewerbs- und Steuergesetze (Minimum Safeguards; MS-Kriterium).
Weiterhin müssen von der EU-Kommission festgelegte technische Bewertungskriterien zur Prüfung des SC-Kriterium und des DNSH-Kriteriums vorliegen (Technical Scree-ning Criteria; TSC-Kriterium). Ist dieses rein formelle Kriterium nicht erfüllt, spricht man von fehlender „Taxonomie-Fähigkeit“, also einer Nicht-Prüfbarkeit auf Taxonomie-Konformität, aus der sich keine Aussage über deren Nachhaltigkeit ableiten lässt.
Jede von einem Unternehmen betriebene Wirtschaftstätigkeit wird anhand der obigen Kriterien durch das Unternehmen selbst geprüft. Die Umsätze aus den geprüften Tätigkeiten sind von Nicht-Finanzunternehmen, die das Gros der Investitionsobjekte darstellen, als monetäre Angaben in tabellarischer Form in die nichtfinanzielle Erklärung aufzunehmen.
Eine analoge Prüfung ist auf der Ausgabenseite für Investitionsausgaben (Capital Expenditures; CapEx) und operative Ausgaben (Operational Expenditures; OpEx) vorzunehmen. Diese bezieht sich auf die Nachhaltigkeit von Dienstleistern und Zulieferern. Die Ergebnisse aller drei Prüfprozesse werden als aggregierte, prozentuale Anteile an den Gesamtgrößen ausgewiesen (Taxonomie-Kon-formitätsquoten).
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[Hinweis: Dieser Artikel wurde im Sommer eingereicht, d. h. die dargestellten Inhalte und Einsichten in den dynamischen Legislativprozess beruhen ggf. nicht auf dem aktuellsten Stand.]
Autor:
Paul Klein ist in einer Unternehmensberatung zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung tätig. Er studiert Banking & Finance mit dem Schwerpunkt Green & Sustainable Finance am Schmalenbach Institut der TH Köln.