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Historischer Schritt: EZB hebt Leitzins um 0,75 Prozentpunkte an

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat einen historischen Zinsschritt angekündigt, um die anhaltend hohe Inflation in der Eurozone in den Griff zu bekommen. Die Notenbank hob den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte an. Der Zins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, steige damit auf insgesamt 1,25 Prozent, teilte die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt am Main mit. Seit Einführung des Euro-Bargelds im Jahr 2002 hatte es noch nie eine so starke Zinserhöhung gegeben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde begründete den Schritt damit, dass die Teuerungsraten „nach wie vor deutlich zu hoch“ seien. Für seine September-Sitzung hatte der EZB-Rat bereits vor einigen Wochen eine weitere Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte signalisiert. Zuletzt aber hatte die Inflation weiter deutlich zugelegt. Das erhöhte den Druck auf die Euro-Währungshüter, einen noch größeren Zinsschritt zu beschließen. Steigen Zinsen, werden Kredite teurer, was wiederum die Nachfrage schwächt. In der Folge sinken die Preise.

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„Die EZB hat heute ein Ausrufezeichen gesetzt. Sie kämpft entschlossen gegen die Inflation und hat die Schlagzahl deutlich erhöht“, sagte Henriette Peucker, Stellvertreterin des Hauptgeschäftsführers des Bankenverbandes, mit Blick auf die Entscheidung der EZB, die Zinsen um 75 Basispunkte heraufzusetzen. „Es ist gut, wenn sich die europäischen Währungshüter in den kommenden Monaten weiterhin darauf konzentrieren, Inflation und vor allem Inflationserwartungen entschlossen zu bekämpfen. Dauerhaft hohe Inflationserwartungen der Menschen in der Währungsunion wären mit hohen Kosten für Wirtschaft und Gesellschaft verbunden.“

 

„Die Forward Guidance ist tot“

Nicolas Forest, Global Head of Fixed Income bei Candriam, erklärte anlässlich der EZB-Sitzung: „Die zweite Zinserhöhung der EZB um 75 Basispunkte war keineswegs eine Überraschung. Der Einlagensatz ist wieder auf dem Niveau von 2011, und Christine Lagarde fährt schwere Geschütze auf, denn die Inflation zeigt mit 9,1 Prozent keine Anzeichen einer Abschwächung.“ Forest fügte hinzu: „Die Forward Guidance ist tot. Die EZB hatte die Forward Guidance im Jahr 2013 zu einem wichtigen Instrument in ihrem geldpolitischen Arsenal zur Inflationsbekämpfung gemacht. Im Juni wollte die EZB noch ihr Ankaufprogramm einstellen und erst viel später eine erste Zinserhöhung erwägen. Eine solche Kursänderung und eine derartige Verleugnung des Offensichtlichen zeigt keinerlei Transparenz.“ Investoren könnten die nächsten Maßnahmen der EZB kaum verstehen. Forest fügte hinzu: „Darüber hinaus stellt sich die Frage des Bilanzmanagements: Wie lassen sich Inflationsbekämpfung und Reinvestition von Fälligkeiten miteinander vereinbaren?“

 

Christof Kessler, Vorstandssprecher der Gothaer Asset Management AG, sagte: „Die Erhöhung der Leitzinsen um 75 Basispunkte durch die EZB entsprach den Erwartungen des Markts. Dieser Schritt war mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent erwartet worden. Eine geringere Erhöhung hätte den Euro und den Rentenmarkt belastet. Aktuell gehen die Marktteilnehmer davon aus, dass die EZB die Zinsen kontinuierlich weiter erhöht, bis sie im Sommer 2023 über 2 Prozent liegen. Mit ihrer Rede hat Christine Lagarde auch diesen Markterwartungen an die EZB entsprochen.“ Die EZB habe ihre Projektionen für die Inflation 2023 und 2024 deutlich angehoben und damit aus unserer Sicht ein realistischeres Bild übernommen. „Die entscheidende Frage ist, wie standhaft die EZB mit ihrer Inflationsbekämpfung bleibt, wenn die Eurozone sichtbarer in einer Rezession statt einer Stagnation steckt und der politische Druck zunimmt“, so Kesslers Fazit. (ud)

 

 


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