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Bundesbank-Symposium: „Weitere Zinserhöhungen sind erforderlich“

Düster wie standardmäßig das Wetter im November waren die Prognosen beim heutigen Bundesbank-Symposium „Bankenaufsicht im Dialog“. „Die Zeiten sind unsicher“, sagte Bundesbank-Präsident Dr. Joachim Nagel, und auch Vorstandsmitglied Prof. Dr. Joachim Wuermeling betonte, „das gesamte Bild ist im Moment recht düster“. Die Folgen des Ukraine-Kriegs, die Inflation und die explodierenden Energiekosten schlagen neben den Normalverbrauchern eben auch den Bankern – und denen, die über sie wachen – auf den Magen.

iStock.com/AndreyPopov

Angesichts extrem schwieriger Prognosen sei die Bedeutung von Urteilskraft enorm wichtig, so Nagel. Diese bilde sich auch durch Erfahrungen, und solche untereinander auszutauschen war ein Ziel der Veranstaltung in Frankfurt. Der Präsident ließ zunächst den Blick zurückschweifen auf die bis zum Beginn des dritten Quartals doch erstaunlich gute wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Dann aber ließen die hohe Inflation und die Unsicherheit über die Energiekosten die Wirtschaft abschwächen, gerade in den Bereichen Einzelhandel und Bauwirtschaft. Legte das Bruttoinlandsprodukt zunächst noch einmal um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal leicht zu, so verschlechterte sich die Stimmung anschließend sowohl bei den Verbrauchern als auch bei den Unternehmern. Der Konsumklimaindex sank auf ein Rekordtief.

 

Durch die hohen Energiekosten, sinkende Produktionspläne und Exporterwartungen sowie durch die mangelnde Kauflaune privater Haushalte dürfte der Konsum weiter zurückgehen. Nagel: „Insgesamt könnte die Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr deutlich sinken. Dann hätten wir es mit einer Rezession zu tun.“ Das befürchten auch die Experten des IWF, die für die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr ein Minus von 0,3 Prozent voraussagen.

 

Inflationsrate dürfte weiterhin hoch bleiben
Die Konjunktur werde auch von der Inflationsrate belastet, die so hoch sei wie seit 70 Jahren nicht mehr. Hier rechnet Nagel mit einem weiterhin hohen Niveau und prognostizierte „eine sieben vor dem Komma“ für den Jahresdurchschnitt 2023. „In jedem Fall dürfte die Inflationsrate für Deutschland also noch länger erhöht bleiben.“ Im Euroraum sei die Situation nicht viel anders, und für kommenden zwei Jahre weise die aktuelle Inflationsprognose der EZB Werte von 5,5 Prozent für 2023 und 2,3 Prozent für 2024 aus.

 

Geldpolitisch nähere man sich mit der erfolgten Zinswende einer Normalisierung. Die mehrfache Anhebung der Leitzinsen reiche aber nicht. „Weitere Zinserhöhungen sind erforderlich, um die Inflationsrate zurück auf 2 Prozent zu bringen“, sagte Nagel in Frankfurt, ohne genaue Größen zu nennen. Ein wichtiges Ziel sei das Ende der hohen Teuerungsrate. Mit einem Andauern der Inflation wachse das Risiko längerfristiger Inflationserwartungen. Der Auftrag ans Eurosystem laute, Preisstabilität zu gewährleisten. „Daher werde ich mich weiter dafür einsetzen, dass wir als EZB-Rat keinesfalls zu früh nachlassen, dass wir die geldpolitische Normalisierung weiter hartnäckig vorantreiben – auch wenn unsere Maßnahmen die Wirtschaftsentwicklung dämpfen.“

 

Für die Banken bedeutet die Situation ein wachsendes Risiko. Aufgrund der Konjunktur steige die Gefahr, dass immer mehr Unternehmen ihre Kredite nicht zurückzahlen können. Immerhin verfügten die Institute über genügend Resilienz und eine solide Kapitalbasis, wie die jüngsten Stresstests gezeigt hätten. Und auch, wenn die Banken bei der Kreditvergabe strenger würden, so zeige sich bislang kein Hinweis auf eine drohende Kreditklemme.

 

Komfortable Kapitalpolster auch Dank Regulierungsreform
Die Zinsentwicklung nahm auch in der Keynote von Joachim Wuermeling breiten Raum ein. Gerade Wohnimmobilienkredite seien wichtig für das Geschäftsmodell vieler Banken, bei den Sparkassen und Genossenschaftlichen Banken entfallen laut Wuermeling rund ein Drittel der Bilanzsummen auf Kredite für Wohnimmobilien. Hier kühle sich der Markt derzeit deutlich ab. Er vermöge nicht abzuschätzen, wie sich die Situation und die Risiken für Banken entwickeln werden, aber der Bundesbank-Vorstand nahm Kreditnehmer ins Visier, die ihre Häuser und Wohnungen angesichts niedriger Zinsen mit kurzer Bindung, niedriger Tilgung oder hohem Schuldendienst finanziert hätten. Sie leiden bereits unter den steigenden Zinsen. Kommen weitere Schwierigkeiten hinzu – Wuermeling nannte hier einen „Cocktail“ aus Arbeitslosigkeit und fallenden Immobilienpreisen, also sinkende Preise für die Kreditsicherheiten – dann könnte es auch für die Banken teurer werden.

 

Doch auch Kredite an Unternehmen könnten zunehmend riskant werden, wenn angesichts von Inflation und steigenden Zinsen das Bedienen der Kredite immer härter wird. Bislang sei die Quote fauler Kredite in den Bankbilanzen auf sehr geringem Niveau, so Wuermeling, aber für die Zukunft gelte es, alle relevanten Frühindikatoren sehr intensiv zu beobachten. Diese Erkenntnis habe er auch vom Treffen der Notenbanken in Basel mitgebracht. Die Unsicherheit sei groß und die Wirkungsketten ließen sich aktuell kaum durchschauen. Auch er gehe von einer Wachstumsprognose von minus 0,3 bis 04 Prozentpunkten aus. Vor allem, da für die gegenwärtige Situation keine Vergleichszahlen aus der Vergangenheit herangezogen werden könnten, gelte es umso mehr, die Urteilskraft zu stärken und Vorsicht walten zu lassen. „Bei Sturm und Flut sollte man Abstand von der Hafenkante halten“, formulierte Joachim Wuermeling eine starke bildsprachliche Warnung.

 

Ebenso wie Nagel beruhigte auch Wuermeling, dass die deutschen Banken dank komfortabler Kapitalpolster durchweg stabil seien und selbst im Stressszenario noch eine harte Kernkapitalquote von 14,5 Prozent auswiesen. Dies sei auch ein Erfolg der Regulierungsreform. Jetzt sei aber keine Zeit, sich entspannt zurückzulehnen. Wichtig sei es nun, die Kapitalbasis zu erhalten und eine angemessene Risikovorsorge aufzubauen, eine eventuelle Verschlechterung der Kreditqualität so schnell wie möglich bilanziell abzubilden und das Kreditbuch „mit Argusaugen“ zu beobachten. In der „Dreifachkrise“ aus Inflation, Rezession und Zinswende würden bisherige Erfahrungen und Modelle kaum helfen. „Was wir also tun müssen ist Kredit für Kredit akribisch zu überwachen.“

 

Die Zinswende helfe den Banken mittel- bis langfristig. Nun sei entscheidend, wie sie die aktuellen Belastungen überstehen. Auch der Vorstand der Zentralbank negierte für das kommende Jahr eine Kreditklemme oder allgemeine Bankenkrise. Sein Schlussbild führte Wuermeling wieder ans Wasser: „Banken sitzen zwar nicht mehr auf dem Trockenen was Zinsen angeht, aber mit der Flut kommt auch ein Sturm; das Wasser wird unruhig. Banken müssen also wachsam sein und eine stabile Position finden, um nicht von der Strömung erfasst und auf das offene Meer getrieben zu werden.“

 

Die Veranstaltung wurde mit weiteren hochkarätigen Rednern bestritten, wie z. B. Andrea Enria, dem Vorsitzenden des einheitlichen Bankenaufsichtsmechanismus SSM der EZB, Dr. Hilmar Zettler für die Deutsche Kreditwirtschaft, Prof. Dr. Thomas A. Lange (National-Bank), Dr. Manfred Knof (Commerzbank) und vielen mehr. Neben den volkswirtschaftlichen Aspekten stand auch die Weiterentwicklung des Meldewesens im Fokus sowie das Thema Lehren aus den aktuellen Belastungen für die operationelle Resilienz der Kreditwirtschaft.

 

 


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