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Tagung FinTechs und Bankrecht: Auf den Spuren der Start-ups

Über 40 Mio. Euro investierte der nach Marktkapitalisierung größte Versicherer der Welt, der chinesische Konzern Ping An, kürzlich in Finleap, den Berliner Company Builder, der FinTechs und anderen Start-ups den Zugang zu Startkapital und einem Netzwerk aus Investoren, erfahrenen Unternehmern und Kunden eröffnet. Seit seiner Gründung im Jahr 2014 hat Finleap bereits 16 Portfolio-Unternehmen den Markteintritt ermöglicht, darunter war z. B. die Berliner SolarisBank.

 

Der Deal ist nur ein weiterer Beleg für den Appetit auf westliche Unternehmen, den fernöstliche und vor allem chinesische Geldgeber entwickelt haben, seitdem die Regierung in Peking im Jahr 2000 ihre „Going Global“-Strategie verkündet hatte. 2017 haben Anleger aus China so viel in deutsche Unternehmen investiert wie nie zuvor – 13,7 Mrd. US-Dollar nach einer Analyse der Beratungsgesellschaft EY. Standen in früheren Jahren eher Industrieunternehmen auf der Wunschliste, so verlagert sich der Fokus immer mehr in Richtung FinTechs. Bei der Finanzierungsrunde, die die Internetbank N26 in diesem Frühjahr startete, stieg Tencent groß ein, ein chinesischer Internetkonzern, der etwa als Betreiber von WeChat bekannt ist. Und der japanische FinTech-Investor SBI hat sogar schon mehrfach in die SolarisBank investiert. 

Offenbar sind die Kriegskassen in Fernost gut gefüllt. Nur die großen US-amerikanischen Investoren können da noch gegenhalten. Doch während die amerikanischen VC-Funds ausschließlich am Return interessiert sind, zeigen die chinesischen Investoren eher strategisches Interesse und investieren in Banken und Technologiekonzerne. 

 

„Wir beobachten, dass der Markt sehr interessant ist – gerade für ausländische Investoren“, bestätigte auch Matthias Lais, Geschäftsführer und Gründer vom Main Incubator, der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Commerzbank-Gruppe. Vergleichen mit Amerikanern und Asiaten hielten sich europäische Investoren sehr bedeckt, abgesehen von Anlegern aus dem Vereinigten Königreich und wenigen weiteren Beispielen. Sehr aktiv, so Lais, sei beispielweise die spanische BBVA, die neben ihrem Einstieg bei der Solarisbank unter anderem auch in die britische Atom-Bank und weitere Later-Stage-Modelle investierte. „Aber die deutschen Banken tun sich hier eher noch schwer, sind im Bereich Early Stage aber sehr aktiv“, konstatierte Lais.

Schon die reinen Zahlen beeindrucken. Allein im dritten Quartal 2018 wanderten 5,64 Mrd. US-Dollar des globalen VC-Fundings in FinTech-Start-ups, das entspricht laut Lais etwa 10 Prozent des gesamten VC-Kapitals. In Deutschland habe die Investitionssumme im Jahr 2017 bei etwa 700 Mio. Euro gelegen, für 2018 schätzt Lais das Aufkommen in Europa auf rund 1 Mrd. Euro. 

Der Geschäftsführer des Main Incubators eröffnete den Gästen der Fachtagung „FinTechs und Bankrecht“ (eine Veranstaltung der Bank-Verlag Marke „Bankrecht und Bankpraxis“) in Köln einen Überblick über den Markt aktueller FinTech-Geschäftsmodelle. 

Das FinTech-Funding stieg von 3,9 Mrd. Dollar im Jahr 2013 auf aktuell 32,6 Mrd. (Erwartung für 2018). Bereinigt allerdings um den Riesen-Deal von Ant Financial – das FinTech des chinesischen Milliardärs Jack Ma hat bei der bislang wohl größten Finanzierungsrunde überhaupt rund 14 Mrd. Dollar eingesammelt, damit stieg der Betreiber des Zahlungsdienstes Alipay zu einem der teuersten Unternehmen der Welt auf – zeige sich, dass sich das Niveau der Vorjahre (2015: 16 Mrd., 2016: 19 Mrd. und 2017: 17,9 Mrd.) stabilisiert habe, zeigte der FinTech-Experte auf. Weltweit würden derzeit 33 sogenannte Unicorns mit einem Gesamtwert von 115 Mrd. US-Dollar gezählt. Als „Finanz-Einhörner“ bezeichnet die Branche Start-up-Unternehmen mit einer Marktbewertung von mehr als 1 Mrd. US-Dollar. Die meisten sind in den USA beheimatet, gefolgt von China, Indien, Europa und Brasilien. 

 

Banken müssen neue Geschäftsmodelle erkennen 

 

Der große Trend des Jahres ist Open Banking, kurz gesagt: die Öffnung von Banken gegenüber Drittanbietern. Kaum eine Bank, die sich aktuell nicht mit dem Stichwort Plattform-Banking auseinandersetzen muss. Das Modell der Zukunft sieht nicht mehr so aus, dass eine Bank alle Dienstleistungen selbst und aus eigener Hand anbieten wird. Vielmehr kann man sich die Bank künftig als Plattform in der Mitte vorstellen, an der ringsum diverse Dienstleister andocken. Gebraucht werden also Schnittstellen (API), wie der Kontozugang für Dritte, den die zweite Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) den Banken ins Pflichtenheft geschrieben hat. 

Das Modell kann durchaus eine kostenlose Basis (z.B. das kostenfreie Konto bei einer Internet- oder „Challenger“-Bank ) beinhalten. Möchte der Kunde mehr Service, kann er mithilfe der Schnittstellen weitergeroutet werden an „Banking as a Service“-Anbieter, etwa für Kredit- oder Investmentangebote, für Überweisungsservice oder für Bargeldabhebungen. 

 

Aktuelle Payments-Modelle wie Google- und Apple Pay oder Instant Payments, Lending und Kreditscoring –die FinTech-Welt ist vielfältig, und Matthias Lais bot den Zuhörern in Köln einen Einblick in fast alle Teilbereiche. Ein weiteres spannendes Thema: RegTech-Start-ups. Dahinter verbergen sich Anbieter, deren Angebote darauf abzielen, Pflichtaufgaben wie Datenschutz, Kundenidentifikation bzw. –authentisierung (KYC) oder Report-Controlling zu automatisieren. Dieser Markt boomt, es gibt beispielsweise bereits Lösungen, mit deren Hilfe Kundendaten synthetisiert und dennoch nachvollziehbar gespeichert werden können. Andere FinTechs widmen sich der Kundenerkennung und bieten Lösungen für die in der PSD 2 geforderte 2-Faktor-Authentifizierung oder liefern Vorbeugungsmaßnahmen gegen Geldwäsche auf der Basis Künstlicher Intelligenz. 

„Es passiert derzeit unglaublich viel, aber die Banken müssen sich nicht verstecken“, bilanzierte Lais. Für die Institute sei es aber wichtig, zu erkennen, wo sich künftige Geschäftsmodelle ergeben und sich auf diese Entwicklungen einzustellen. 

 

Fast alle großen deutschen Banken, quer durch alle Sektoren, kooperieren mittlerweile mit FinTechs, und der Transformationsprozess hält an. Den Digitalisierungsgrad, den z.B. die polnischen Kunden oder jene in Skandinavien von ihren Banken erwarten, haben sie aber noch nicht erreicht. Das müssen sie aber wohl auch (noch) nicht. Denn dass der deutsche Kunde sich in Sachen Bankgeschäft immer noch eher auf traditionellen Pfaden bewegt, den Besuch in der Filiale wertschätzt und schon gar nicht auf sein Bargeld verzichten will, kommt den deutschen Banken offensichtlich zugute. „Am Ende macht es der Mix: Eine Beratung, die digital und rund um die Uhr zur Verfügung steht, gleichzeitig aber auch immer Raum für ein persönliches Gespräch lässt“, fasste Matthias Lais zusammen.

 

Matthias Lais erläuterte den Gästen in Köln natürlich auch die Strategie des main incubators (eigene Schreibweise): „Als Forschungs- und Entwicklungseinheit der Commerzbank Gruppe stellen wir uns sämtlichen Fragestellungen der Digitalisierung und bringen über drei Wege Innovationen in die Bank und zu ihren Kunden.“ Über eigene Eventformate wie „Between the Towers“ fördere der main incubator die Community und gewinne über den Austausch mit Partnern aus Industrie und Forschung sowie Start-ups wichtige Impulse. Darüber hinaus unterstütze der main incubator als strategischer Frühphaseninvestor Technologie-getriebene Start-ups in ihren Anfangsphasen und sei dabei Partner, Mentor und gleichzeitig Netzwerk für ihre innovativen Lösungen. „Wir investieren in sehr früher Phase in Start-ups, wobei sich der Fokus mittlerweile von FinTechs mehr in Richtung Tech-Unternehmen verlagert hat“, berichtet Lais. Schließlich entwickele der main incubator – ähnlich eines Zukunftslabors – selbst eigene Prototypen für neue Finanzprodukte, die einen Mehrwert für die Commerzbank oder ihre Kunden liefern werden. Zwölf ausgewählte Zukunftstechnologien, wie zum Beispiel Blockchain oder Künstliche Intelligenz, stecken den Rahmen ab.Die Mitarbeiterstruktur beweist das Interesse für Technik: Im 35-köpfigen Team des Incubators gebe es mittlerweile mehr IT-ler als Banker, verriet der Gründer der gelben R&D-Unit. 

 

Artikelbild: ©Neutronman | istockphoto.com