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Alarmierender Spitzenplatz – Führungskräfte in Finanzunternehmen sprechen kaum über Fehler

Der große Wert einer konstruktiven Fehlerkultur ist auch in den Unternehmen im Finanzsektor unbestritten. Dennoch tun sich die Führungskräfte hier besonders schwer, ihre eigenen Irrtümer, Fehlschläge oder Unsicherheiten zu thematisieren. Dabei ist es besonders gefährlich, wenn gerade leitende Angestellte ihre Fehler unter den Teppich kehren. Der Grund: Die Führungskräfte spielen bei der Etablierung einer positiven Fehlerkultur eine Schlüsselrolle, so eine neue Studie.

 

Bildquelle: istock.com/AaronAmat

Bei der Betrachtung der Fehlerkultur in den Unternehmen belegt die Finanzbranche laut einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung EY zumindest in einem Punkt einen alarmierenden Spitzenplatz. So haben in den befragten Finanzunternehmen 82 Prozent aller Führungskräfte – über die vergangenen beiden Jahre betrachtet – eigene Fehler nicht oder nur teilweise thematisiert.

Dabei erklären 62 Prozent, dass sie überhaupt nicht über eigene Fehlschläge, Irrtümer oder Unsicherheiten gesprochen haben. 20 Prozent geben an, Fehler lediglich teilweise zugegeben zu haben. Im Durchschnitt über alle untersuchten Branchen hinweg haben sich 64 Prozent aller befragten Führungskräfte dazu bekannt, ihre Fehler vollständig oder teilweise unter den Teppich gekehrt zu haben. Vergleichsweise wenige tun dies mit 36 Prozent in der Automobilindustrie.

Befragt wurden für die Studie in Kooperation mit der ESCP Business School und der Hochschule Hamm-Lippstadt 200 Führungskräfte und 800 Angestellte deutscher Unternehmen aus den Branchen Banken und Versicherungen, Maschinenbau, Transport und Logistik sowie Automobilhersteller und -zulieferer. Zentrale Fragen waren, inwieweit Führungskräfte beim proaktiven Umgang mit Fehlern ihre Vorbildfunktion wahrnehmen und welche weiteren Maßnahmen eine positive Fehlerkultur in den Betrieben fördern. Eine positive Fehlerkultur bedeutet, dass Fehler proaktiv und konstruktiv gemanagt werden, anstatt sie zu verschweigen oder zu sanktionieren. Dies hat einen starken Einfluss auf die Profitabilität des Unternehmens, seine Innovationskraft und die Qualität der einzelnen Produkte und Services.

Diese Zusammenhänge erkennen auch die in der Studie befragten Führungskräfte und Angestellten aus dem Finanzsektor. Bewertet auf einer Skala von 1 bis 10 zeigen sich zum Beispiel hohe Mittelwerte zwischen 8,4 und 9,2 für die Aussage, dass die Fehlerkultur für die Innovationskraft der Unternehmen wichtig sei. Dabei zeigt sich, dass Führungskräfte die Fehlerkultur im Mittel für noch wichtiger halten als die Mitarbeitenden. Auch die Gefahren einer mangelnden Fehlerkultur sind ihnen bewusst: 48 Prozent der Fu?hrungskrafte befürchten, dass sich Fehler in diesem Fall zu Skandalen ausweiten, 46 Prozent sorgen sich um die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Zudem geben die Befragten an, dass eine konstruktive Fehlerkultur wichtig fu?r die Attraktivität eines Arbeitgebers ist.

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Nelson Taapken, Partner im Bereich People Advisory Services bei der Unternehmensberatung EY.

Prof. Dr. Christoph Seckler, Lehrstuhl für Entrepreneurial Strategy an der ESCP Business School Campus Berlin.

Prof. Dr. Sebastian Fischer, Professor für „Wirtschaftspsychologische Methoden“ an der Hochschule Hamm-Lippstadt.


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